Das Radfahren ist bei uns seit Generationen in der Familie. Oder besser das Reisen. Und mangels eines anderen Gefährts wurde es eben oft das Rad. Das Rad war bei uns nie Sportgerät oder Luxusgegenstand. Es war alltägliches Familienmitglied. Schon als ich noch nicht selber fahren konnte, wurde ich auf, unendlich harten und spitzigen Federn der Gepäckträger durch die Gegend gefahren. Mein Großvater wollte vom Saarland nach Wien und ist im Bayern von meiner Großmutter „aufgehalten“ worden. Eben mit dem Fahrrad. Meine Mutter ist schon in ihrer Jugend mit einem Top-modernen Dreigangrad durch die Alpen gefahren und so war es völlig klar, dass auch ich irgendwann auf die Idee komme, richtig große Touren zu unternehmen. Da es in meiner Generation schon alltäglich war, mit dem Auto zu fahren, dauerte es, aber irgendwann brach es doch durch und so machte ich mich im Sommer 2006 auf, von Lindau zur Nordsee ,auf dem Rheinradweg, zu fahren.
Beim Packen wurde mir langsam klar, dass ich noch nie vorher versucht habe, mit soviel Gepäck zu fahren. Ich hab nur an das gedacht, was ich mitnehmen will, aber nicht daran, dass es ja auch alles verstaut werden muss. Stahlrad, ich, Hund, Gepäck brachten zusammen 140 kg auf die Waage. Der Weg zum Bahnhof war abenteuerlich und wir brauchten sehr viel Breite! Das nächste Problem stellte sich beim Verladen in den Zug heraus. Das ganze Zeugs musste irgendwie in den Zug, dazu noch auf den Hund aufpassen, der sowieso in jeden Zug steigen wollte. Jedenfalls brachte uns der Zug dann doch noch an den Startpunkt der Reise.
Die ersten Kilometer nach dem Bahnhof Lindau waren immer noch sehr wacklig und ich war mir gar nicht mehr sicher, wie weit wir es mit diesem Gefährt schaffen können. Aber immerhin, wir waren am Bodensee nach Westen unterwegs. Rheinradweg, wir kommen.
Der erste Plattfuß ließ auch nicht lange auf sich warten und ich begann auch mal über den Zustand meiner Reifen nachzudenken. So im Nachhinein liest es sich naiv, aber die ganze Vorbereitung für diese Tour war eine Karte zu kaufen und das Fahrrad vollzupacken. Wir machten schon viele Touren und was soll an der anders sein, nur weil sie ein paar Tage länger dauerte? Also überquerten wir den Bodensee mit der Fähre, um in Richtung Schweiz zu kommen.
Bei Konstanz treffen wir dann zum ersten Mal auf den „richtigen Rhein“ hier beginnt auch seine Kilometrierung mit Flusskilometer 0. So auch mein Rheinradweg.
Über Schaffhausen, Basel, dann rechts abbiegen und der Kompass zeigt nach Norden. Es ist heiß, aber wir kommen gut voran. Meiner Lady machen solche Touren gar nicht aus. Sie wartete schon beim ersten Anzeichen des Fahrradbeladens neben dem Bike vor Sorge, dass man sie vergessen könnte. Jeden Tag läuft sie wie es ihr passt und ansonsten sitzt sie stolz im Korb und schaut sich die Welt an, wie sie an ihr vorüberzieht. Wir sind ein gut erprobtes und eingespieltes Team und inzwischen klappts auch gut mit dem Gewicht des Rades.
Ja, Radreisen 2006 war noch etwas mühsamer als es heute der Fall ist. Wie hier in Karlsruhe gab es viele Stellen, an denen abgepackt werden musste. Alles runter, dann über die Brücke schleppen, drüben wieder aufladen. Damit ist dann auch eine halbe Stunde Arbeit verbunden.
Auch die Beschilderung der Radwege am Rheinradweg, war 2006 noch sehr spärlich. Es gab kein Navi und keine Smartphones, man musste gut aufpassen, dass man auf dem richtigen Weg blieb. Radreisende waren auch eher selten und so grüßte man sich, oder hielt sogar an, um sich kurz zu unterhalten. Auch, um Informationen über Strecken und Campingplätze auszutauschen.
Das Rheintal ist sicher eines der schönsten Strecken am Rhein.
Radreisender am Rheinradweg, ohne und mit Regenausstattung. Der Hundekorb hatte ein Regendach aus Folie. Luxus pur.
Nachts schliefen wir auf Campingplätzen im Zelt. So waren wir unabhängig und konnten uns unsere Strecken selber aussuchen. Täglich sind wir so zwischen 90 und 120 Km unterwegs gewesen.
In Köln bekamen wir erste Auswirkungen der Fußballweltmeisterschaft zu spüren. Wir mussten mitten in den Fans am Zeltplatz übernachten.
Dann ist es auch nicht mehr weit ins Windmühlenland. Man hatte mich gewarnt, zur Fußballweltmeisterschaft nach Holland zu fahren. Aber es war wie so oft bei Warnungen. Der erste Holländer, den ich traf, half mir auf den richtigen Weg, erklärte mir das Radnetz in den Niederlanden und schenkte mir sogar noch seine Radwegekarte von ganz Holland. Von Süddeutschland mit Hund und Rad bis Holland zu kommen, das beeindruckt sogar die sonst wirklich verwegenen Radfahrer in diesem Radfahrland. Ich habe auf der ganzen Tour nur sehr freundliche und immer hilfsbereite Holländer getroffen!
Durch Rotterdam und weiter nach Hoek van Holland. Unfassbar! Wir haben es geschafft! Unser Rheinradweg ist bezwungen. Da darf man auch mal eine Stunde länger schlafen zumal der Regen über das Zelt peitscht und uns so in den Schlafsack zwingt.
Eigentlich wäre jetzt der Plan, in den nächsten Zug zu steigen und zurückzufahren. Aber Zugfahren mit dem ganzen Gepäck ist anstrengend und das Umsteigen nervt. Ach komm! Wir fahren mit dem Rad zurück, das ist viel einfacher und weil es grad so gut läuft, machen wir noch einen Umweg nach Amsterdam!
Über Den Haag gehts nach Amsterdam. Grob habe ich die Karte von Deutschland im Kopf und plane meine Rückfahrt. Dabei habe ich mit dem Gewicht vor allem im Sinn, keine Steigungen bewältigen zu müssen. Irgendwie wieder an den Rhein. Dann Main, dann sollte irgendwann die Tauber abzweigen und dann kann die Altmühl auch nicht weit sein. Dann Altmühl, Donau und Lech. Die Idee sollte klappen und wir machen uns, diesmal ohne Karte, auf den Weg nach Hause.
In Frankfurt kommen wir mitten in die Partymeile, um das Halbfinale. Es dauert nicht lange, dann stecken wir fest in den Fans. Mithilfe der Polizei kommen wir wieder frei und schauen, dass wir uns vom Acker machen.
Ladys neuer Kumpel. Aber ich bin froh, dass ich den nicht zu schleppen habe. Vor Rothenburg geht es dann nach oben. Es gilt, die Wasserscheide zur Donau zu überqueren. So finde ich tatsächlich die Quelle der Altmühl und nach einem kleinen Hüpfer zur Donau bin ich wieder an meinem Heimatfluss, dem Lech.
Bilanz der Tour Rheinradweg. In 21 Tagen haben wir 2100 Km abgespult und Deutschland nicht nur einmal, sondern gleich zweimal durchquert. So ging meine erste große Radreise zu Ende. Weitere sollten folgen und wir beide freuten uns auch schon darauf.
2100 KM