Calle de la Libertad - 20 Stadtflucht und Costa Brava
Nach meiner Tour durch Girona zieht es mich wieder in die Natur. Ich mache meine Wander-App auf und entdecke in dem Gebirgsmassiv, auf dessen Nordseite der Pantà de Sau liegt, noch einige ansprechende Wanderungen auf dessen Süd-Ost-Seite. Diese Berge, die „Les Guilleries“, so lese ich, waren früher als Rückzugsort von Banditen und Straßenräubern berüchtigt. Nix wie hin und nachschauen, ob die Räuber noch immer Postkutschen überfallen.
Bald entdecke ich die Räuber, die mich aus leeren Augen anstarren als ich an ihnen vorüber wandere. Aber sie scheinen den Touristen nichts anhaben zu wollen. Oder bin ich nur Untertags sicher? Brechen sie nachts aus ihren Bäumen, in denen sie gefangen sind, aus und berauben mich? Entledigen mich meiner Vorräte an Reis, Gemüse und Olivenöl? Mutig schreite ich stolz an ihnen vorbei. In der Hand meinen Wanderstock. Man weiß ja nie…
Wie durch ein Wunder schaffe ich es, den Räubern, die überall lauern, zu entgehen und mache mehrere kleine Wanderungen an diesem Tag, wieder in fast völliger Einsamkeit.
Am Abend komme ich nach Sant Hilari Sacalm. Einer sehr schönen Gemeinde mit einem sehr großen Stellplatz. Ein wahrer Luxus empfängt mich. Wasser, Abwasser und eine Kneipe in der ich mit den Eingeborenen ein Bier trinke. Sie schauen gar nicht nach Räuber aus. Man schaut Fußball im Fernsehen. Sehr emotional, SEHR emotional. Um mich als harmlos zu tarnen, brülle ich, sicherheitshalber, mal mit. Muss nur aufpassen, dass ich nicht an der falschen Stelle mit brülle. Das Leben ist eben ein Tanz auf der Rasierklinge! 🙂
Nachts bricht ein höllischer Sturm über unsere kleine Wohnmobil-Siedlung herein. Kommen sie mich jetzt doch noch holen? Meine Postkutsche schüttelt sich und stemmt sich dem Wind entgegen. Am Morgen ist alles wieder ruhig. Die Geister sind wieder schlafen gegangen – Waschtag.
Auf meiner Vormittags-Wanderung komme ich an einen Korkeichenwald. Dessen Wächter lässt mich passieren. Seine Warnung, die er mir auf den Weg mitgibt. „Lässt du Müll hier oder machst du etwas kaputt, dann fresse ich dich!“ Ich nehme das sehr ernst – mit grimmigen Drachen ist nicht zu spaßen und verhalte mich entsprechend.
Nur alle 9 Jahre kann dem wertvollen Baum sein „Schlafanzug“ ausgezogen werden. Seit ich in so einem Wald war, sehe ich Kork mit anderen Augen. Auf dem Weg kommt mir ein Spanier entgegen. Wir kommen ins Reden. Er spricht kein Englisch, ich kein Spanisch. Ist ihm egal, Freundlichkeit endet für die Katalanen nicht an der Sprachbarriere. Er erzählt mir alles über den Wald und über Korkeichen und über seinen Hund und über seine Frau und über seine Enkel und über sein Dorf und überhaupt! Schönes Land hier und ich muss sagen, dass mich nicht das Heimweh plagt, sondern eher, dass ich die hiesige Sprache nicht kann.
Nachmittags bin ich wieder an der Costa Brava in S’Agaró und finde einen Stellplatz für die Nacht. Die blaue Markierung am Parkplatz bedeutet, dass man zahlen muss. Im Oktober sind alle Parkuhren abgedeckt und es gibt viel Platz. In Spanien geht die Polizei gegen Verstöße vor, aber es wird keiner, nur wegen einer sinnlosen Vorschrift angegangen. Mal was zum Parken. Weiße Linie ist frei, gelb verboten, blau kostet, grün ist für Anwohner. Um das Leben nicht langweilig werden zu lassen, gibt es aber auch zig Ausnahmen 😉
Der Küstenweg der Costa Brava ist sehenswert. Es gibt auch einen markierten Wanderweg entlang der ganzen Costa Brava. Der GR 92, führt von der französischen Grenze bis Barcelona und ist in 10 Tagen zu schaffen. Seinen Namen hat er von den olympischen Spielen 1992 in Barcelona.
Im Hinterland der Costa Brava finden sich immer wieder sehr lohnenswerte Ziele wie die Stadt Begur über der sich eine Ruine erhebt. Vor dort aus hat man eine prächtige Aussicht und für mich sind Aussichten immer auch Inspiration für meine nächsen Ziele.
Etwas entfernt von der Costa Brava sehe ich 3 Berge und beim Hinzoomen eine Burg auf dem Mittleren. Da ich mich seit Wochen ziemlich ziellos von genau solchen Inspirationen treiben lasse, ist es sofort ganz klar, dass jene Burg eines meiner nächsten Ziele wird. Eine Peilung sagt mir, dass es das Castell del Montgrí ist. Vorher aber noch ein anderes Ziel. Das hatte ich mir schon vor Monaten auf meiner „da-möchte-ich-irgendwann-hin-Karte“ abgesteckt. Es war eine Inspiration aus der Sendereihe „Wunderschön“ vom WDR, die ich sehr schätze. Es ist die Stadt Peratallada, die mich morgen erwartet.