Augsburg

543. Tag im Wohnmobil. Alle Zeichen stehen auf Herbst. Eigentlich ganz nett anzusehen, aber „eigentlich“ ist eben ein Sche**wort! Nach dem Herbst wird Winter kommen und das sind nun mal 7 Monate Rheuma, Menschen die so wichtig sind, dass sie auch noch mit 40 Grad und triefender Nase in jede Besprechung kommen. Der Winter ist die Jahreszeit, in der du überlegst, ob deine Nachbarn noch am Leben sind, weil sich alle nur in ihre Bunker verkriechen und der Winter ist die Jahreszeit, die eigentlich für die Ruhe reserviert wäre, wenn da nicht… Eben „Eigentlich“ ist eben ein Sch**wort – zur Weihnachtszeit bürgerkriegsähnliche Zustände in den Innenstädten ausbrechen würden. 

Ausbrechen! Genau das ist das Stichwort! Frei sein von Enge, Zwängen und der kalten Hand des Winters in Deutschland. Projekte, die man für den Sommer geplant hatte, müssen zum Abschluss kommen. Gedanklich trennt man sich von Menschen, die sich einfach nicht mehr gemeldet haben. Es scheint als wär es ein Phänomen der jetzigen Gesellschaft. Man beendet eine Beziehung zu jemandem, indem man die Person einfach zur Seite legt und nie mehr wieder hervorholt. Einfach, praktisch und effektiv. Mache ich mit meinen Steuerunterlagen des vergangenen Jahres auch so. 

Die Reisevorbereitungen und Planungen verdichten und konkretisieren sich. Bald gehts wieder los! Geplant ist der 20.9.25. Die passende Bettwäsche ist aufgezogen, meine Mutter strickt mir noch Socken für die kalten Nächte im Bulli. Man glaubt nicht, wie wertvoll solche Socken sein können, wenn man nachts bei -5 Grad in den spanischen Bergen im Auto übernachtet.

Mein Bett im Bulli

Nie die Bodenhaftung verlieren! Das ganze „faule Pack“ (ist satirisch gemeint) von Vanlifern, Influenzern und sonstigen „tollen“ Medienmachern sollte nie vergessen, dass sie ihr Leben nie so führen könnten, wenn da nicht andere hart arbeiten würden. Tagtäglich nützen wir die Infrastruktur und die Dienstleistungen der Orte, an denen wir gerade sind. Wir verlassen uns auf Busfahrer, Personal in Krankenhäusern, Geschäften, bei der Polizei oder Feuerwehr.

Während des Vanlife verliert man schnell die Bodenhaftung zu den „normalen“ Dingen des Alltags. Auch aus diesem Grund habe ich in den Sommerferien einen meiner früheren Jobs wieder ausprobiert und bin 7 Wochen Stadtbus im Schichtdienst gefahren. Somit habe ich auch mitgeholfen, ein paar Menschen, die das ganze Jahr performen, den Urlaub zu ermöglichen. Die Gesellschaft schaut nur auf die Stars und Sternchen, die glänzend am Himmel schweben. Oft (nicht immer) Blutsauger und Schmarotzer der Allgemeinheit. 

Bitte einmal am Tag eine Gedenkminute einlegen für die Menschen, die täglich irgendwo arbeiten und wichtige Zahnräder im großen Getriebe sind. Und man kann auch mal Danke sagen! Danke liebe Kassiererin, danke lieber Straßenkehrer, danke lieber Straßenarbeiter, danke lieber Busfahrer! 

Die Winterfahrt 25/26 ging eigentlich schon eine Nacht vor der Abfahrt los. Unter großem Applaus und inmitten einer Mega-Party verabschiedeten wir einen der bekanntesten lokalen Kulturschaffenden Madhouse-Wolfi Honrath in den Ruhestand. In seinem frisch ausgebautem Postbus wird er ab jetzt die Camper-Szene bereichern und hoffentlich viele coole Touren, im neuen Ruhestandsleben, machen.

Nach der Party und dem Ausschlafen gings für mich Richtung Süden. Diesmal über Luzern. Das Wetter hat mir einen Strich durch meine Planung gemacht. Der Schnee am Furkapass und am Rhonegletscher hat mich die Abkürzung nach Genf nehmen lassen.

Sie so: „Wieso hast du denn so einen kleinen Camper?“ Ich: 

572. Tag im Postauto: Anwandern in diesem Winter. Ja, etwas ungewöhnlich, dass man im Herbst mit Wandern beginnt, aber im Sommer komme ich nicht dazu. Letzten Winter in Spanien habe ich viele Wanderungen gemacht. Von Januar bis März über 30 Touren, im Sommer in Mitteleuropa habe ich fast gar keine gemacht. Die ersten Meter waren heute sehr hart. Meine Muskeln und mein Knie haben richtig randaliert und mussten erstmal überzeugt werden. Der Pont d’Arc an der Ardeche stand schon lange auf meiner Liste. Heute habe ich eine kleine Wanderung dort gemacht.

Eine Tour für morgen habe ich schon herausgesucht. Mein Plan ist, mich langsam in Richtung der Pyrenäen zu bewegen. 

Pont d’Arc Ardeche
Pont d’Arc Ardeche

Cirque de Navacelles: Die Anfahrt war schon sehenswert. Bei Gegenverkehr bleibt einer stehen und der andere schleicht dran vorbei. Wenn man 1. den Gegenverkehr sieht und wenn 2. der Gegenverkehr nicht der Gasflaschen-Lkw auf Liefertour ist. Der Kessel selber ist Welterbe und bietet viele schöne Wanderungen. Auf beiden Seiten des Kessels gibt es Aussichtspunkte, die man unbedingt besuchen sollte!

Cirque de Navacelles
Cirque de Navacelles

Lac du Salagou: Dieser See ist farblich und landschaftlich spannend. Die charakteristische rote Erde, auch „Ruffe“ genannt, und die offene Landschaft ohne erkennbare Wege, verleiht der ganzen Umgebung etwas marsartiges. 

Lac du Salagou
Lac du Salagou

Der Cirque de Mourèze ist ein auffallend schöner Geopark, den ich auch schon länger auf meiner Liste hatte. Eine schöne Wanderung mit fast 400 hm war genau richtig für mein Wandertraining. 

Cirque de Mourèze
Cirque de Mourèze

Vor Carcasonne hatte ich ein wenig Bammel, weil ich Menschenmassen und Kampf um den Parkplatz nimmer ausstehen kann. Um so schlimmer war die Vorstellung, dass mich mein Weg an einem Sonntag da hin führen soll. 

Die Lösung war aber ganz simpel. 10 Minuten nach Sonnenaufgang war am fast leeren Parkplatz, spazierte dann 2 Std. durch eine fast völlig ausgestorbene Altstadt und mit dem Eintrudeln von asiatischen Reisegruppen habe ich mich leise wieder aus dem Staub gemacht. In der Tasche viele Fotos der Stadt ohne, auch nur eine Person.

Durch die Pyrenäen auf der Route de la Liberté erinnert an eine bedeutende Flüchtlingsroute. Menschen sind vor den Nazis in die Freiheit geflohen.  Zuerst vor den Spanischen, dann vor den Deutschen. 

Eine Frage drängt sich auf: Wann laufen hier wieder Menschen und in welche Richtung?

 

Sehr gespannt war ich darauf, wie sich mein Spanisch lernen vom Sommer in der Praxis bewährt. Hab heute auch gleich richtig losgelegt und was soll ich sagen. Es war etwas chaotisch, aber es endete mit vielen wertvollen Informationen über Stellplätze, zwei neuen Freunden, einer Dose des besten Bieres der Erde und der Erkenntnis, dass ich jetzt befähigt bin, mein Leben hier in Spanisch zu bestreiten. SALUT!  

Meine 4. Wanderung ging durch die Schlucht „congost de Mont-rebei“ Ein echter Knaller auf den ich mich seit Monaten gefreut habe. Ich bin nicht enttäuscht worden. Wenn man grade glaubt, dass man ganz groß und wichtig ist, dann ist diese Schlucht ein Ort, der einem helfen kann, das zu überwinden. Wie ein winziges Insekt krabbelt man irgendwo am Felsen entlang. Der Weg ist in die Wand eingeschlagen, der Blick nach unten ist unsagbar spannend (vielleicht noch mehr, wenn man Höhenangst hat, kann man aber sicher hier auch gut ablegen :-)). Tief unter einem paddeln, im smaragdgrünen Wasser, bunte Kajaks und man bekommt Lust da mitzupaddeln. Der eigentliche schlimme Blick aber, den man besser vermeidet, ist der nach oben. Der Weg ist so gnadenlos in den Fels gehauen, dass es scheint, als würde der Fels über einem sehr bröselig aussehen und sich gerade jetzt lösen wollen. Furchen, Riefen und irgendwie nicht so stabil wirkende Steine sorgen dafür, dass man den Blick schnell wieder an eine andere Stelle richtet. Dabei kommt der gegenüberliegende Fels in den Fokus. Dort ist eine unfassbar gigantische Wand aus schichtweise übereinander gestapelte Erdgeschichte. Millionen Jahre, die sich abgelagert haben und dann irgendwie nach oben gedrückt wurden. Diese Wand schrumpft den Wanderer, der sie betrachtet, sofort zu dem unbedeutendsten Irgendwas, dass jemals den Mut hatte über diese Erde zu krabbeln und daran zu glauben, dass er irgendeinen Hauch von Relevanz hat. Zwischen jeder dieser hundert Schichten Gestein könnten ganze Zivilisationen zusammengequetscht worden sein. Zivilisationen, bestehend aus Kulturen, Kriegen, Erfolgen oder auch nur Reste des sich immerwährenden Drehens der Erde um die Sonne. Irgendwann ist auch unsere Zivilisation nur eine neue Schicht Gestein, die von der Erde durchgenudelt, verflüssigt und an irgendeiner Stelle wieder ausgespuckt wird.

Die Wanderung habe ich mir in zwei Teile aufgeteilt. Morgen plane ich das andere Ende von der anderen Seite. Dort wartet noch etwas ganz Besonderes auf mich. Ich habs heute schon von weitem gesehen. Die Escaleras – die Treppen und eine weitere Hängebrücke.

Meine 5. Wanderung. Teil 2 der  Schlucht „congost de Mont-rebei

Dieses mal von der anderen Seite. Die Fahrt zum Parkplatz war schon speziell. Es ging über eine abenteuerliche Straße, enge Kufen, starke Steigungen und Gefälle, loser Untergrund, aber dann ein Parkplatz, der mir eine tolle Nacht inmitten eines kleinen Wäldchens beschert hat.

Was in solchen Gegenden immer wieder auffällt, ist die totale Stille. Wenn ich das mal wieder erleben darf, dann ist es wie wenn man einen Tinnitus bekommt. Wenn alle Geräusche um einen herum auf null abgedreht sind und man sich plötzlich selber hört, dann brüllt einen sie Stille an. Fast unangenehm, wenn man nur noch sich selber und seinen Geräuschen ausgesetzt ist. 

Der Weg in die Schlucht beginnt von dieser Seite mit einem langen Abstieg. Das ist etwas ungewöhnlich, weil man es ja irgendwie eher kennt, dass man zu einem Gipfel aufsteigt. Hier ist es genau anders. Man ahnt es schon beim Abstieg, dass die letzten Meter der Wanderung dann auch richtig hart werden. Dann spürt man die letzten 250 Höhenmeter gewaltig in den Oberschenkeln. 

Dann irgendwann ist man an den „Escaleras“, den Treppen. Genauer sind es zwei Passagen, die am blanken Fels durch, irgendwie an den Fels „genagelte“ Treppen zu überwinden sind. Die ersten Fragen, die man sich unweigerlich stellt, sind: Wer baut sowas und vor allem wie baut man sowas?

Der Auf- und abstiegt, macht wirklich Spaß, es geht direkt am nackten Felsen entlang. Vereinzelt wachsen Blumen am warmen Fels, den man sich genau betrachten kann, wie es sonst nur Kletterer können. Unten im Wasser sind vereinzelt Kajaks zu sehen, die man hier überall ausleihen kann.

Ganz unten wartet dann die wackelige Hängebrücke über den congost und hier ist auch mein Umkehrpunkt, da ich die andere Seite ja bereits am Vortag bewandert hatte. 

Der heutige Schlafplatz ist einer der Orte, die es nur inmitten wenig besiedelnden Berglandschaften gibt und die sich am besten so beschreiben lassen: völlige Stille, völlige Dunkelheit, völlige Einsamkeit, völlig friedlich

Wanderung 6 fiel aus! Ich hatte Bilder von einer einzigartigen Felsformation gesehen und hatte die Wanderung dorthin schon fest geplant. Aber den Weg dorthin hatte ich mir nicht angeschaut. Hatte doch mein Transporter bislang alle Hindernisse überwunden. Das hätte er jetzt sicher auch wieder, aber am Ende stellte sich heraus, dass ich 34 Kilometer richtig schwere Schotterstraße zu fahren hätte und das wollte ich meiner guten Furgoneta nicht antun. Die Fahne in meiner ToDo-Karte bleibt ja und irgendwann…

Wanderung 6 ging von Bierge zur Fuente de Tamara. Los ging es auf zuerst relativ langweiligen Schotterwegen, aber nach wenigen Kilometern wurde sie richtig, unterhaltsam und auch anspruchsvoller als ich gedacht hatte. So waren wieder alle Elemente dabei, was man von einer 5-Stunden-Wanderung in den spanischen Bergen so erwarten kann. Grober Schotter, rauf und runter, überhängende Felsen und am Ziel auch noch eine Bachüberquerung auf Steinen, dort dann eine Badestelle und eine sehr enge Schlucht. Alles in völliger Einsamkeit, aber genau beobachtet. Über mir kreisten immer mal wieder Gänsegeier, um nachzusehen, ob es mir noch gut geht. 

Fuente de Tamara
Fuente de Tamara

Nach ein paar Tagen nur Computerarbeit in Huesca war heute Wanderung 7 an der Reihe. Es ging in die Berge beim Salto de Roldán. Ich hab den Berg schon gesehen, als ich nach Huesca gefahren bin und er hat mich sofort angezogen. Zwei gegenüberliegende Giganten, über die es sicher viele Sagen gibt. Den einen hab ich mir heute in einer ausgedehnten Wanderung vorgeknöpft.

Sagenhaft immer wieder den vielen Gänsegeiern zuzusehen, die sich gänzlich ohne Flügelschlagen mit ihren mächtigen Flügeln durch die Berge treiben lassen. Mit 2,50 Metern Spannweite und einer Körperlänge von einem Meter sind sie wirklich eindrucksvoll.

Die Gegend ist eine traumhafte Wandergegend, vom Klettersteig bis zur Durchquerung eines Baches ohne Schuhe war heute wieder alles dabei. Das hat auch grade gut gepasst, weil ich eh meine Wasserflasche vergessen hatte. Wie es hier üblich ist, habe ich kaum Menschen gesehen. 

Das Castillo de Loarre, so kann man es lesen, soll eines der schönsten Castillos Spaniens sein. Es ist auch Model gestanden für mehrere Filme. Also nix wie hin. Ich bin nicht gerade Fachmann für Schlösser und Burgen, aber mir hat es gut gefallen. Es ist preislich überschaubar mit 7 Euro inkl. den Audioguide. Vor allem aber ist die Umgebung der Hammer. Diese Seite der Pyrenäen und deren Ausläufer sind unglaublich reich an Formen und Farben. Hier bleibe ich noch und mach noch ein paar Wanderungen. 

Kleiner Spaziergang um den Stausee La Peña und durch das Pueblo Murillo de Gállego

Wanderung 8: Um die Mallos de Riglos. Waren wieder so um die 500 Höhenmeter. Grade recht, finde ich. Ich suche mir immer Wanderungen zwischen 4 und 6 Stunden und bis zu 600 Höhenmeter aus. Immerhin habe ich Rheuma, also habe ich eigentlich, weil ich es nur im Winter habe und dem gehe ich ja aus dem Weg. Seit ich dem Winter aus dem Weg gehe, hab ich auch keinen Rheumaschub mehr und deswegen bin ich mit 600 Höhenmeter mehr als zufrieden. Es gab bei mir auch schon Zeiten, bei dem meine Tagesstrecke eine Aldi-Durchquerung war. 33 Kg abnehmen und ein Leben als Zugvogel zu führen hat mir die Beweglichkeit zurückgegeben. 

Wanderung 9. Eigentlich wollte ich weiter, aber dann sah ich von weitem eine Ruine und ein Schild zum Mirador de los Buitres, also Aussichtspunkt der Geier. Klar, da muss ich hin!

Die Aguarales de Valpalmas ist ein Ort mit interessanten Formen, die durch Ausspülungen entstanden sind. Man muss ein paar Kilometer offroad fahren, um da hinzukommen. Das habe ich gleich genützt, um wieder einmal eine völlig einsame Nacht inmitten der Natur zu verbringen. Leider war es etwas bewölkt, sonst hätte man sicher viele Sterne sehen können.

Die Fiestas del Pilar in Saragossa. Zehn Tage feiern und Menschenmassen. Ich habe einen eigenen Beitrag dazu gemacht. 2,6 Mio Menschen besuchen die Stadt. Ein fast unendlicher Strom von Menschen türmt eine Pyramide mit Blumen auf. Auf mehreren Bühnen gibt es Tag und Nacht Programm. 

Fiesta del Pilar Zaragoza

zaragoza fiestas del pilar

Als Ausgleich gehts ins Spanisch Lappland, wie die Serranía Celtibérica auch bezeichnet werden. Es ist unglaublich, wie wenig Menschen hier leben. Man kommt im Durchschnitt auf 8 Menschen pro Quadratkilometer, was mit Lappland oder den schottischen Highlands zu vergleichen ist. Einen ganzen Tag war ich wandern und habe wirklich niemand gesehen. Die Nacht verbrachte ich bei einem kleinen Dorf und am nächsten Tag traf ich dort einen alten Mann. Der sagte mir, dass in dem Dorf noch 8-10 Menschen wohnen. Sonst sind alle weg.

Die einsame Wanderung Nummer 10 ging von Beratón zu den Cuevas de los Pilares über der Baumgrenze auf 1400 Metern, traf ich unterwegs viele Pferde, die hier mit Kuhglocken ausgestattet sind, aber sich völlig frei bewegen, eine Eule, eine Schlange, Geier, Falken….

Wanderung 11 sollte von Cueva de Ágreda zum Pico Moncayo gehen. Der Start ist bei 1300 Metern und der höchste Gipfel der Region bei 2300. Man geht entlang eines klaren Baches durch ein grünes Tal und erreicht sehr bald die Baumgrenze. Dann geht es weiter durch flachen Bewuchs, der nur einen kleinen Weg offen lässt. Die aufkommende Bewölkung machte mir etwas Sorgen, weil ich am Vortag erlebt habe, wie sich in einer halben Stunde ein Gewitter aus den Wolken, die an der Luvseite des Berges aufstiegen, gebildet hatte. So beließ ich es und kehrte auf 2000 Metern um.

594. Tag im Postauto. Ruhetag in Soria. Eine der kleinsten Provinzhauptstädte Spaniens. Grade mal 40.000 Einwohner, aber für die Serranía Celtibéric eben schon eine Großstadt. Dabei ist Soria aber eine kleine Perle, in der man es durchaus ein paar Tage aushalten kann. Sie liegt am Oberlauf des Rio Douro, den ich ja schon in seinem portugiesischen Teil gefolgt bin. Der Douro in Portugal mit dem Wohnmobil. Ich glaube, ich muss in den nächsten Tagen auch mal die Quelle des Douro besuchen!

Hier in Soria gibts auch eine Sehenswürdigkeit, das alte Kloster San Juan de Duero aus dem 12. Jh. Eintritt frei für EU-Bürger! Man wird auch gefragt, wo man herkommt und dann mithilfe eines handgeschriebenen Zettels, in 4 Sprachen, belehrt, dass man nichts anfassen soll. 

Die Legende vom Bogen des Schweigens (Soria, 1150 n. Chr.)

Das Kloster San Juan de la Senda lag hoch über dem Río Duero, wo die steinige Ebene in die wilden Wälder überging. Es war eine Zeit des Krieges und des Glaubenswechsels.

Bruder Mateo, ein junger, talentierter Steinmetz, arbeitete am neuen Kreuzgang. Seine Aufgabe war es, den letzten großen Bogen des Portals zu vollenden, jenem Bogen, der die geistige Welt von der weltlichen trennte.

Eines Winters, als die Kälte aus den Bergen kroch, schloss sich ein fremder Ritter namens Don Ramiro dem Kloster an. Er war kein Mönch, sondern ein Mann, gezeichnet vom Krieg, der nur um eines bat: Schweigen. Er arbeitete tagsüber bei Mateo am Kreuzgang, ohne je ein Wort zu sprechen.

Mateo bemerkte, dass Don Ramiros Werkzeuge jedes Mal, wenn er einen Krieger oder eine Waffe in Stein meißeln wollte, stumpf wurden und der Stein zersplitterte. Nur wenn er friedliche Motive wählte – einen singenden Vogel, einen reitenden Hirten, eine betende Frau –, gelang ihm die Arbeit mit vollkommener Präzision.

Eines Nachts sah Mateo, wie Don Ramiro vor dem unvollendeten Bogen kniete und weinte. Im Morgengrauen war der Ritter verschwunden. Doch der letzte Stein des Bogens war eingesetzt, und er zeigte kein christliches oder kriegerisches Motiv, sondern ein Pferd, das friedlich auf einer Weide graste, dessen Augen Tränen vergossen.

Erst Jahre später erfuhr Mateo, dass Don Ramiro der letzte Überlebende einer Schlacht in den Tälern von Soria war und er das Gelübde des Schweigens abgelegt hatte, um für die Seelen seiner gefallenen Kameraden zu büßen. Sein letztes Werk, der „Bogen des Schweigens“, erinnert die Mönche seither daran, dass selbst die grausamste Geschichte durch Stille und Verzicht auf Gewalt Heilung in die Kunst bringen kann. Bis heute heißt es, dass jeder, der den Bogen durchschreitet, im Herzen Frieden finden wird.

Soria

Calatañazor, ein winziges Dorf, dass mir aber gut gefallen hat und das sicher auch einen Stopp wert ist. Es hat eine Burgruine und einige wenige Gassen. 

Außerdem hat es 50 Einwohner, eine ewig lange Geschichte, die bis in die Zeit der Kelten zurückreicht, einige hundert Geier, die um die Burg kreisen und irgendwie denkt man spontan an einen alten Cowboy-Film, wenn man hier spazieren geht.  

Im Naturpark Hoces del Río Duratón schlängelt sich der Río Duratón durch eine Schlucht, die ganze Gegend wimmelt von Geiern, die sich am Abend in die Vorsprünge der Felsen zurückziehen. Es macht Spaß, ihnen beim Landen zuzuschauen. Am Morgen falten sie fast gleichzeitig, mit den ersten Sonnenstrahlen, ihre Flügel auf und machen sich startbereit.

Wiedermal ein Welterbe! Das Aquädukt in Segovia, das bis 1974 in Betrieb war. Damit brachte man das Wasser vom Rio Frio direkt in die Stadt. 

Die Legende von der Wasserträgerin und dem Teufel

Die Legende besagt, dass eine junge, fleißige Wasserträgerin es leid war, jeden Tag den mühsamen Weg vom Fluss Frio bis zur Stadt hinaufzusteigen, um Wasser zu holen.

Eines Abends wünschte sie sich laut, dass jemand eine Möglichkeit schaffen möge, das Wasser schnell in die Stadt zu bringen. Da erschien der Teufel und bot ihr einen Pakt an: Er würde das Aquädukt in nur einer einzigen Nacht bauen, bevor der Hahn krähte.

Im Gegenzug würde er ihre Seele bekommen.

Die Wasserträgerin stimmte zu, bereute es aber sofort und betete die ganze Nacht zur Jungfrau Maria um Hilfe. Der Teufel arbeitete fieberhaft und stellte fast alle Bögen fertig. Doch kurz bevor er den letzten Stein setzen konnte, krähte der Hahn.

Der Teufel verlor den Pakt und konnte die Seele des Mädchens nicht nehmen. Übrig blieb das fast fertiggestellte Aquädukt, dem lediglich ein Stein am Ende fehlt (oder nach anderen Versionen die Fugen). Die Segovianer mussten den letzten Stein selbst setzen.

70 km weiter, nächste Provinz, nächstes Welterbe – Ávila

Die Stadtmauer ist mächtig und das Besteigen kostet 8 €. Der Schwabe stellt fest, dass man eine Mauer viel besser fotografieren kann, wenn man nicht auf ihr steht, außerdem ist es billiger! 

Die selber gestrickte Legende sagt, dass die Stadt deswegen nicht erobert wurde, weil die Angreifer keine 8 € hatten!

Die Wanderung 13 ging durch die Sierra de Gredos, auf den Torozo der mit seinen 2019 Metern eigentlich einen schönen Aussichtspunkt beinhaltet. Aber eben eigentlich. Schon am Start war alles in Wolken gehüllt und es riss nur selten für eine Weile auf.  Oben war die Wolke so gehaltvoll, dass man quasi durch Regen lief. Trotzdem war der Weg gut und es zeigte sich auch eine ganze Gruppe Capras, die im Nebel sehr geisterhaft wirkte. 

Das Wetter inördlich der Sierra de Gredos war kalt und regnerisch. Um wieder vor der 20 Grad Welle in den Süden zu fahren, musste ich etwas Gas geben und auch mal 200 km fahren. Der Wetterbericht für meinen Lieblings-Nationalpark war für die kommenden zwei Tage ausgezeichnet, also fuhr ich direkt in die Extremadura zum Nationalpark Monfragüe, in dem ich schon letztes Jahr wunderschöne Geier beobachten konnte. 

Das Wetter inördlich der Sierra de Gredos war kalt und regnerisch. Um wieder vor der 20 Grad Welle in den Süden zu fahren, musste ich etwas Gas geben und auch mal 200 km fahren. Der Wetterbericht für meinen Lieblings-Nationalpark war für die kommenden zwei Tage ausgezeichnet, also fuhr ich direkt in die Extremadura zum Nationalpark Monfragüe, in dem ich schon letztes Jahr wunderschöne Geier beobachten konnte. 

Die Tragödie des Pedro und die Wohnmobil-Ritter von Feria

Im Jahre 1534, als die Welt noch flach war und die Straßen noch keine Navigationssysteme kannten, lebte in einem kleinen, unscheinbaren Dorf in der Extremadura ein Mann, dessen Schönheit die Olivenbäume zum Erblühen brachte: Pedro.

Pedro war so blendend gutaussehend, dass die örtliche Kirche eine Spendenaktion startete, um seine Wangenknochen zu konservieren. Zwei Damen verfielen ihm hoffnungslos: Catalina, die Bäckerin, bekannt für ihre Herzlichkeit, und Isabella, die Ziegenhirtin, berühmt für ihren cholerischen Charakter und ihre übernatürlichen Kenntnisse der Bergkräuter.

Pedro, der sich lieber von frisch gebackenem Brot als von Ziegenkäse ernährte, entschied sich für Catalina.

Isabella warf daraufhin einen Blick auf ihn, der kälter war als der Schnee der Sierra Nevada, und sprach einen Fluch aus, der bis heute in den bergigen Gassen widerhallt: „Du wirst niemals die Ruhe finden, Pedro! Du wirst dazu verdammt sein, in den Gassen der Pueblos Blancos zu spuken und dich an der Gier der modernen Reisenden zu rächen!“

Der Fluch im 21. Jahrhundert

Der arme Pedro fand seine ewige Ruhe nie. Er existiert seither als eine Art gespenstischer, extrem gutaussehender Tourismus-Dschinn in den weißen Dörfern Andalusiens und der Extremadura. Sein Ziel: die größtmögliche Verkehrsanarchie stiften.

Sein Fokus liegt dabei auf deutschen Wohnmobilfahrerinnen. Warum deutsche? Weil sie die besten, größten und am sorgfältigsten gewarteten Wohnmobile besitzen – Fahrzeuge, die garantiert in jeder spanischen Gasse stecken bleiben.

Nachts, wenn Frau Steffi aus dem Harz ihr 7,5 Meter langes Reisemobil der Marke Karmann parkt, erscheint Pedro ihr in einem Traum. Mit seinem verführerischen Extremadura-Grübchen flüstert er ihr auf perfektem, melodischem Nordrhein-Westfälisch ins Ohr: „Steffi, mein Schatz. Die wirkliche authentische Tapas-Bar liegt nur hundert Meter weiter, gleich hinter dieser malerischen, 80 Zentimeter breiten Gasse. Vertrau mir, die Aussicht ist es wert.“

Am nächsten Morgen folgt Steffi, angetrieben von einer irrationalen Mischung aus Romantik und der Sehnsucht nach authentischer Tortilla, dem Ruf des schönen Geistes. Sie ignoriert das „No Pasar“-Schild, das die örtliche Polizei prophylaktisch angebracht hat, und biegt mit ihrem Karmann T4 in die steilste Gasse ein. Dort, zwischen der Wand eines Friseurladens und dem Sims eines Balkons, sitzt sie fest. Wieder eine vermisste Seele in den engen Gassen!

Die Ankunft des Retters

Glücklicherweise wacht über die Pueblos Blancos ein wahrer Held. Ein Nachfahre der alten Adelsfamilie der Grafen von Feria aus der Extremadura: Der edle Ritter Alfonso von Feria, seines Zeichens Betreiber des örtlichen Abschleppdienstes „La Grúa del Homenaje“ („Der Kran des Bergfrieds“).

Sobald Alfonso den verzweifelten Anruf aus einer Funkloch-Gasse erhält, schwingt er sich auf seinen aufgemotzten, verchromten Abschleppwagen (Spitzname: El Conquistador) und eilt zur Rettung.

Alfonso ist ein Mann der Tradition. Er weiß: Der Fluch von Pedro kann nur besiegt werden, indem er die Wohnmobil-Damen mit der größten Ehre belohnt, die die Sierra de Aracena zu bieten hat. Wenn er Steffi und ihren Karmann T4 befreit hat, akzeptiert er als einzige Belohnung:

Drei Flaschen „San Miguel deste 1890“ (das edelste aller spanischen Biere).

Denn nur der reine, goldene Gerstensaft, der seit der Gründung im Jahr 1890 gebraut wird, hat die Kraft, die Pein der verfluchten Seele des Pedro zu lindern. Und so spukt Pedro weiter, Steffi trinkt ihren Tinto de Verano und Alfonso von Feria sorgt für den Verkehrsfluss – ein ewiger Zyklus der Romantik, des Wahnsinns und des extrem kalten Bieres in den spanischen Bergen.

SALUT!

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