Augsburg

543. Tag im Wohnmobil. Alle Zeichen stehen auf Herbst. Eigentlich ganz nett anzusehen, aber „eigentlich“ ist eben ein Sche**wort! Nach dem Herbst wird Winter kommen und das sind nun mal 7 Monate Rheuma, Menschen die so wichtig sind, dass sie auch noch mit 40 Grad und triefender Nase in jede Besprechung kommen. Der Winter ist die Jahreszeit, in der du überlegst, ob deine Nachbarn noch am Leben sind, weil sich alle nur in ihre Bunker verkriechen und der Winter ist die Jahreszeit, die eigentlich für die Ruhe reserviert wäre, wenn da nicht… Eben „Eigentlich“ ist eben ein Sch**wort – zur Weihnachtszeit bürgerkriegsähnliche Zustände in den Innenstädten ausbrechen würden. 

Ausbrechen! Genau das ist das Stichwort! Frei sein von Enge, Zwängen und der kalten Hand des Winters in Deutschland. Projekte, die man für den Sommer geplant hatte, müssen zum Abschluss kommen. Gedanklich trennt man sich von Menschen, die sich einfach nicht mehr gemeldet haben. Es scheint als wär es ein Phänomen der jetzigen Gesellschaft. Man beendet eine Beziehung zu jemandem, indem man die Person einfach zur Seite legt und nie mehr wieder hervorholt. Einfach, praktisch und effektiv. Mache ich mit meinen Steuerunterlagen des vergangenen Jahres auch so. 

Die Reisevorbereitungen und Planungen verdichten und konkretisieren sich. Bald gehts wieder los! Geplant ist der 20.9.25. Die passende Bettwäsche ist aufgezogen, meine Mutter strickt mir noch Socken für die kalten Nächte im Bulli. Man glaubt nicht, wie wertvoll solche Socken sein können, wenn man nachts bei -5 Grad in den spanischen Bergen im Auto übernachtet.

Mein Bett im Bulli

Nie die Bodenhaftung verlieren! Das ganze „faule Pack“ (ist satirisch gemeint) von Vanlifern, Influenzern und sonstigen „tollen“ Medienmachern sollte nie vergessen, dass sie ihr Leben nie so führen könnten, wenn da nicht andere hart arbeiten würden. Tagtäglich nützen wir die Infrastruktur und die Dienstleistungen der Orte, an denen wir gerade sind. Wir verlassen uns auf Busfahrer, Personal in Krankenhäusern, Geschäften, bei der Polizei oder Feuerwehr.

Während des Vanlife verliert man schnell die Bodenhaftung zu den „normalen“ Dingen des Alltags. Auch aus diesem Grund habe ich in den Sommerferien einen meiner früheren Jobs wieder ausprobiert und bin 7 Wochen Stadtbus im Schichtdienst gefahren. Somit habe ich auch mitgeholfen, ein paar Menschen, die das ganze Jahr performen, den Urlaub zu ermöglichen. Die Gesellschaft schaut nur auf die Stars und Sternchen, die glänzend am Himmel schweben. Oft (nicht immer) Blutsauger und Schmarotzer der Allgemeinheit. 

Bitte einmal am Tag eine Gedenkminute einlegen für die Menschen, die täglich irgendwo arbeiten und wichtige Zahnräder im großen Getriebe sind. Und man kann auch mal Danke sagen! Danke liebe Kassiererin, danke lieber Straßenkehrer, danke lieber Straßenarbeiter, danke lieber Busfahrer! 

Die Winterfahrt 25/26 ging eigentlich schon eine Nacht vor der Abfahrt los. Unter großem Applaus und inmitten einer Mega-Party verabschiedeten wir einen der bekanntesten lokalen Kulturschaffenden Madhouse-Wolfi Honrath in den Ruhestand. In seinem frisch ausgebautem Postbus wird er ab jetzt die Camper-Szene bereichern und hoffentlich viele coole Touren, im neuen Ruhestandsleben, machen.

Nach der Party und dem Ausschlafen gings für mich Richtung Süden. Diesmal über Luzern. Das Wetter hat mir einen Strich durch meine Planung gemacht. Der Schnee am Furkapass und am Rhonegletscher hat mich die Abkürzung nach Genf nehmen lassen.

Sie so: „Wieso hast du denn so einen kleinen Camper?“ Ich: 

572. Tag im Postauto: Anwandern in diesem Winter. Ja, etwas ungewöhnlich, dass man im Herbst mit Wandern beginnt, aber im Sommer komme ich nicht dazu. Letzten Winter in Spanien habe ich viele Wanderungen gemacht. Von Januar bis März über 30 Touren, im Sommer in Mitteleuropa habe ich fast gar keine gemacht. Die ersten Meter waren heute sehr hart. Meine Muskeln und mein Knie haben richtig randaliert und mussten erstmal überzeugt werden. Der Pont d’Arc an der Ardeche stand schon lange auf meiner Liste. Heute habe ich eine kleine Wanderung dort gemacht.

Eine Tour für morgen habe ich schon herausgesucht. Mein Plan ist, mich langsam in Richtung der Pyrenäen zu bewegen. 

Pont d’Arc Ardeche
Pont d’Arc Ardeche

Cirque de Navacelles: Die Anfahrt war schon sehenswert. Bei Gegenverkehr bleibt einer stehen und der andere schleicht dran vorbei. Wenn man 1. den Gegenverkehr sieht und wenn 2. der Gegenverkehr nicht der Gasflaschen-Lkw auf Liefertour ist. Der Kessel selber ist Welterbe und bietet viele schöne Wanderungen. Auf beiden Seiten des Kessels gibt es Aussichtspunkte, die man unbedingt besuchen sollte!

Cirque de Navacelles
Cirque de Navacelles

Lac du Salagou: Dieser See ist farblich und landschaftlich spannend. Die charakteristische rote Erde, auch „Ruffe“ genannt, und die offene Landschaft ohne erkennbare Wege, verleiht der ganzen Umgebung etwas marsartiges. 

Lac du Salagou
Lac du Salagou

Der Cirque de Mourèze ist ein auffallend schöner Geopark, den ich auch schon länger auf meiner Liste hatte. Eine schöne Wanderung mit fast 400 hm war genau richtig für mein Wandertraining. 

Cirque de Mourèze
Cirque de Mourèze

Vor Carcasonne hatte ich ein wenig Bammel, weil ich Menschenmassen und Kampf um den Parkplatz nimmer ausstehen kann. Um so schlimmer war die Vorstellung, dass mich mein Weg an einem Sonntag da hin führen soll. 

Die Lösung war aber ganz simpel. 10 Minuten nach Sonnenaufgang war am fast leeren Parkplatz, spazierte dann 2 Std. durch eine fast völlig ausgestorbene Altstadt und mit dem Eintrudeln von asiatischen Reisegruppen habe ich mich leise wieder aus dem Staub gemacht. In der Tasche viele Fotos der Stadt ohne, auch nur eine Person.

Carcasonne
Carcasonne

Durch die Pyrenäen auf der Route de la Liberté erinnert an eine bedeutende Flüchtlingsroute. Menschen sind vor den Nazis in die Freiheit geflohen.  Zuerst vor den Spanischen, dann vor den Deutschen. 

Eine Frage drängt sich auf: Wann laufen hier wieder Menschen und in welche Richtung?

 

Sehr gespannt war ich darauf, wie sich mein Spanisch lernen vom Sommer in der Praxis bewährt. Hab heute auch gleich richtig losgelegt und was soll ich sagen. Es war etwas chaotisch, aber es endete mit vielen wertvollen Informationen über Stellplätze, zwei neuen Freunden, einer Dose des besten Bieres der Erde und der Erkenntnis, dass ich jetzt befähigt bin, mein Leben hier in Spanisch zu bestreiten. SALUT!  

Meine 4. Wanderung ging durch die Schlucht „congost de Mont-rebei“ Ein echter Knaller auf den ich mich seit Monaten gefreut habe. Ich bin nicht enttäuscht worden. Wenn man grade glaubt, dass man ganz groß und wichtig ist, dann ist diese Schlucht ein Ort, der einem helfen kann, das zu überwinden. Wie ein winziges Insekt krabbelt man irgendwo am Felsen entlang. Der Weg ist in die Wand eingeschlagen, der Blick nach unten ist unsagbar spannend (vielleicht noch mehr, wenn man Höhenangst hat, kann man aber sicher hier auch gut ablegen :-)). Tief unter einem paddeln, im smaragdgrünen Wasser, bunte Kajaks und man bekommt Lust da mitzupaddeln. Der eigentliche schlimme Blick aber, den man besser vermeidet, ist der nach oben. Der Weg ist so gnadenlos in den Fels gehauen, dass es scheint, als würde der Fels über einem sehr bröselig aussehen und sich gerade jetzt lösen wollen. Furchen, Riefen und irgendwie nicht so stabil wirkende Steine sorgen dafür, dass man den Blick schnell wieder an eine andere Stelle richtet. Dabei kommt der gegenüberliegende Fels in den Fokus. Dort ist eine unfassbar gigantische Wand aus schichtweise übereinander gestapelte Erdgeschichte. Millionen Jahre, die sich abgelagert haben und dann irgendwie nach oben gedrückt wurden. Diese Wand schrumpft den Wanderer, der sie betrachtet, sofort zu dem unbedeutendsten Irgendwas, dass jemals den Mut hatte über diese Erde zu krabbeln und daran zu glauben, dass er irgendeinen Hauch von Relevanz hat. Zwischen jeder dieser hundert Schichten Gestein könnten ganze Zivilisationen zusammengequetscht worden sein. Zivilisationen, bestehend aus Kulturen, Kriegen, Erfolgen oder auch nur Reste des sich immerwährenden Drehens der Erde um die Sonne. Irgendwann ist auch unsere Zivilisation nur eine neue Schicht Gestein, die von der Erde durchgenudelt, verflüssigt und an irgendeiner Stelle wieder ausgespuckt wird.

Die Wanderung habe ich mir in zwei Teile aufgeteilt. Morgen plane ich das andere Ende von der anderen Seite. Dort wartet noch etwas ganz Besonderes auf mich. Ich habs heute schon von weitem gesehen. Die Escaleras – die Treppen und eine weitere Hängebrücke.

Meine 5. Wanderung. Teil 2 der  Schlucht „congost de Mont-rebei

Dieses mal von der anderen Seite. Die Fahrt zum Parkplatz war schon speziell. Es ging über eine abenteuerliche Straße, enge Kufen, starke Steigungen und Gefälle, loser Untergrund, aber dann ein Parkplatz, der mir eine tolle Nacht inmitten eines kleinen Wäldchens beschert hat.

Was in solchen Gegenden immer wieder auffällt, ist die totale Stille. Wenn ich das mal wieder erleben darf, dann ist es wie wenn man einen Tinnitus bekommt. Wenn alle Geräusche um einen herum auf null abgedreht sind und man sich plötzlich selber hört, dann brüllt einen sie Stille an. Fast unangenehm, wenn man nur noch sich selber und seinen Geräuschen ausgesetzt ist. 

Der Weg in die Schlucht beginnt von dieser Seite mit einem langen Abstieg. Das ist etwas ungewöhnlich, weil man es ja irgendwie eher kennt, dass man zu einem Gipfel aufsteigt. Hier ist es genau anders. Man ahnt es schon beim Abstieg, dass die letzten Meter der Wanderung dann auch richtig hart werden. Dann spürt man die letzten 250 Höhenmeter gewaltig in den Oberschenkeln. 

Dann irgendwann ist man an den „Escaleras“, den Treppen. Genauer sind es zwei Passagen, die am blanken Fels durch, irgendwie an den Fels „genagelte“ Treppen zu überwinden sind. Die ersten Fragen, die man sich unweigerlich stellt, sind: Wer baut sowas und vor allem wie baut man sowas?

Der Auf- und abstiegt, macht wirklich Spaß, es geht direkt am nackten Felsen entlang. Vereinzelt wachsen Blumen am warmen Fels, den man sich genau betrachten kann, wie es sonst nur Kletterer können. Unten im Wasser sind vereinzelt Kajaks zu sehen, die man hier überall ausleihen kann.

Ganz unten wartet dann die wackelige Hängebrücke über den congost und hier ist auch mein Umkehrpunkt, da ich die andere Seite ja bereits am Vortag bewandert hatte. 

Der heutige Schlafplatz ist einer der Orte, die es nur inmitten wenig besiedelnden Berglandschaften gibt und die sich am besten so beschreiben lassen: völlige Stille, völlige Dunkelheit, völlige Einsamkeit, völlig friedlich

Wanderung 6 fiel aus! Ich hatte Bilder von einer einzigartigen Felsformation gesehen und hatte die Wanderung dorthin schon fest geplant. Aber den Weg dorthin hatte ich mir nicht angeschaut. Hatte doch mein Transporter bislang alle Hindernisse überwunden. Das hätte er jetzt sicher auch wieder, aber am Ende stellte sich heraus, dass ich 34 Kilometer richtig schwere Schotterstraße zu fahren hätte und das wollte ich meiner guten Furgoneta nicht antun. Die Fahne in meiner ToDo-Karte bleibt ja und irgendwann…

Wanderung 6 ging von Bierge zur Fuente de Tamara. Los ging es auf zuerst relativ langweiligen Schotterwegen, aber nach wenigen Kilometern wurde sie richtig, unterhaltsam und auch anspruchsvoller als ich gedacht hatte. So waren wieder alle Elemente dabei, was man von einer 5-Stunden-Wanderung in den spanischen Bergen so erwarten kann. Grober Schotter, rauf und runter, überhängende Felsen und am Ziel auch noch eine Bachüberquerung auf Steinen, dort dann eine Badestelle und eine sehr enge Schlucht. Alles in völliger Einsamkeit, aber genau beobachtet. Über mir kreisten immer mal wieder Gänsegeier, um nachzusehen, ob es mir noch gut geht. 

Fuente de Tamara
Fuente de Tamara

Nach ein paar Tagen nur Computerarbeit in Huesca war heute Wanderung 7 an der Reihe. Es ging in die Berge beim Salto de Roldán. Ich hab den Berg schon gesehen, als ich nach Huesca gefahren bin und er hat mich sofort angezogen. Zwei gegenüberliegende Giganten, über die es sicher viele Sagen gibt. Den einen hab ich mir heute in einer ausgedehnten Wanderung vorgeknöpft.

Sagenhaft immer wieder den vielen Gänsegeiern zuzusehen, die sich gänzlich ohne Flügelschlagen mit ihren mächtigen Flügeln durch die Berge treiben lassen. Mit 2,50 Metern Spannweite und einer Körperlänge von einem Meter sind sie wirklich eindrucksvoll.

Die Gegend ist eine traumhafte Wandergegend, vom Klettersteig bis zur Durchquerung eines Baches ohne Schuhe war heute wieder alles dabei. Das hat auch grade gut gepasst, weil ich eh meine Wasserflasche vergessen hatte. Wie es hier üblich ist, habe ich kaum Menschen gesehen. 

Das Castillo de Loarre, so kann man es lesen, soll eines der schönsten Castillos Spaniens sein. Es ist auch Model gestanden für mehrere Filme. Also nix wie hin. Ich bin nicht gerade Fachmann für Schlösser und Burgen, aber mir hat es gut gefallen. Es ist preislich überschaubar mit 7 Euro inkl. den Audioguide. Vor allem aber ist die Umgebung der Hammer. Diese Seite der Pyrenäen und deren Ausläufer sind unglaublich reich an Formen und Farben. Hier bleibe ich noch und mach noch ein paar Wanderungen. 

Kleiner Spaziergang um den Stausee La Peña und durch das Pueblo Murillo de Gállego

Wanderung 8: Um die Mallos de Riglos. Waren wieder so um die 500 Höhenmeter. Grade recht, finde ich. Ich suche mir immer Wanderungen zwischen 4 und 6 Stunden und bis zu 600 Höhenmeter aus. Immerhin habe ich Rheuma, also habe ich eigentlich, weil ich es nur im Winter habe und dem gehe ich ja aus dem Weg. Seit ich dem Winter aus dem Weg gehe, hab ich auch keinen Rheumaschub mehr und deswegen bin ich mit 600 Höhenmeter mehr als zufrieden. Es gab bei mir auch schon Zeiten, bei dem meine Tagesstrecke eine Aldi-Durchquerung war. 33 Kg abnehmen und ein Leben als Zugvogel zu führen hat mir die Beweglichkeit zurückgegeben. 

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